Die 3D-Messtechnik unterscheidet sich grundlegend von den herkömmlichen Messverfahren mit Messschieber, Mikrometer, Höhenmesser, etc.
Während man z.B. beim Messschieber eine reale Maßverkörperung vorliegen hat (Messschnäbel und Maßstab) werden bei der Messmaschine nur Punkte mit X,Y,Z-Wert festgehalten und im Computer gespeichert. Erst die Verrechnung dieser Punkte nach bestimmten Algorithmen ergibt schließlich die gewünschten Messergebnisse.
In diesem grundlegenden Unterschied sind auch die unterschiedlichen Messergebnisse der verschiedenen Messverfahren begründet.
Eine 3D-Messmaschine ist nicht unbedingt genauer als herkömmliche Messmittel, aber sie bietet einen automatisierten Prüfvorgang, eine enorme Wiederholgenauigkeit und es ist möglich verschiedene Prüfmethoden zu simulieren.
Die oft verwendeten Portal-Messmaschinen bestehen aus einer Messplatte, auf der eine Traverse verfährt. In dieser Verfahrrichtung werden die Y-Koordinaten festgehalten. Auf der Traverse verfährt eine Pinole. Dieses bildet die X-Richtung. Die Pinole kann auf und ab verfahren und führt den Tastkopf. Hieraus ergibt sich die Z-Koordinate. Der Tastkopf enthält eine elektronische Schaltung, die einen Materialkontakt durch Auslenkung des Taststiftes feststellt und einen Impuls an die Steuerung gibt. Die Messmaschinensteuerung stellt die aktuellen Koordinaten aller 3 Achsen fest und übermittelt sie an die Auswertesoftware. Es gibt zwei grundlegend verschiedene Tastsysteme: schaltende und messende.
Dies ist die einfachere und kostengünstigere Bauart. Diese Tastsysteme können nur durch Auslenkung des Taststiftes den Materialkontakt feststellen. Dabei werden die Koordinaten der Kugelmitte im Moment der Auslenkung festgestellt.
Für die nächste Antastung muß der Taster wieder zurück fahren. Erst nachdem der Taster wieder geschlossen ist kann erneut angetastet werden. Dieses Verfahren ist für herkömmliche Messungen ausreichend. Man kann mit diesen Tastern auch Scannen, aber bei Aufnahme sehr vieler Punkte wird durch die erforderlichen An- und Rückfahrtwege sehr viel Zeit benötigt.
Diese Tastsysteme sind deutlich teuer, aber auch wesentlich genauer und universeller einsetzbar. In dem Tastkopf befindet sich quasi eine kleine Messmaschine. Es wird nicht nur ein Signal für den Materialkontakt erzeugt, sondern die Auslenkung des Taststiftes wird gemessen. Durch diese Messwerte kann die Maschinensteuerung die genauen Koordinaten der Tastkugelmitte feststellen. Die Tastkugel kann dabei im Kontakt mit dem Material bleiben, die Steuerung ist in der Lage mit gleichbleibender Antastkraft am Werkstück entlang zu fahren und kontinuierlich Daten aufzunehmen. Dieses Verfahren ist geradezu für den Scanning-Einsatz prädestiniert. Scannen ist mit diesen Tastsystemen schneller und genauer.
Außerdem sind nur mit diesen Systemen selbstzentrierende Antastungen möglich. Dies ist erforderlich, um Zahnlücken oder Nuten zu bestimmen.
Grundsätzlich bildet die Messmaschine nicht die Wirklichkeit ab, sondern berechnet Ersatzelemente. Aus den gemessenen Punkten wird immer ein geometrisch ideales Element (Gerade, Kreis) berechnet, das Ersatzelement. (Ausnahme: Freiformflächensoftware)
Wären die gemessenen Werkstücke von idealer geometrischer Form, würde man so immer genaue und reproduzierbare Messwerte erhalten - unabhängig vom Messverfahren und den Messpunkten. Tatsächlich weichen aber alle Werkstücke von der idealen Form ab und somit fangen unsere Schwierigkeiten beim Messen an. Da wir nicht wissen, wo das Werkstück seine größten Abweichungen hat und wir es auch nicht vollständig messtechnisch erfassen können, erhalten wir nur ein ungenaues Abbild der Wirklichkeit.
Weil nicht die Gesamtheit aller Oberflächenpunkte, sondern nur ein kleiner Ausschnitt erfaßt wird, erhält man eine entsprechend ungenauere Aussage. Je kleiner die Tastpunktanzahl ist, desto unsicherer ist das Messergebnis. Hohe Tastpunktzahlen kann man auf wirtschaftliche Weise nur mit messenden Tastsystemen erreichen.
Was bedeutet das für die Messpraxis?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: eine unrunde Bohrung.
Mit dem Messschieber messen wir in zwei, 90° versetzten, Ebenen. Und erhalten folgerichtig zwei verschiedene Bohrungsdurchmesser.
Mit der Messmaschine tasten wir die Bohrung rundum ab. Die Software berechnet ein Ersatzelement und wir erhalten als Ausgabe einen Bohrungsdurchmesser. Allerdings gibt die Software auch die Schwankungsbreite aus. Dies ist die Rundheitsabweichung. In diesem Fall erhalte ich eigentlich eine genauere Aussage, als durch 2 Messungen mit dem Messschieber. Ich muß aber immer die Rundheitsabweichung mit bewerten. Tatsächlich kann es vorkommen, das der ausgegebene Bohrungsdurchmesser am real vorliegenden Bauteil nicht existiert, da dies ja der berechnete, mittlere Durchmesser ist. Stellt man eine große Rundheitsabweichung fest, dann muß man u.U. andere Messverfahren verwenden oder nach Hüll- bzw. Pferchkreis auswerten.
Wenn ich mit dem Messschieber nun rundum die Bohrung vermesse, dann kann ich eine Aussage über den größten und kleinsten Durchmesser der Bohrung treffen. Dies kann man auch mit der Messmaschine simulieren: Die Software kann den größten (Hüllkreis) und den kleinsten Kreis (Pferchkreis) berechnen, der sich in die gemessenen Punkte einpassen läßt. Die Übereinstimmung mit dem Ergebnis des Messschiebers ist hier stark von der Anzahl der gemessenen Tastpunkte abhängig. Da das Setzen eines Tastpunktes Zeit kostet, wird die Anzahl in der Praxis relativ niedrig liegen. Ausnahme: siehe messende Tastsysteme. Die Ergebnisse des Hüll- und Pferchkreises werden leicht durch einzelne Ausreißer beeinflußt, daher ist hier eine hohe Messpunktanzahl besonders wichtig.
Wenn ich mit dem Messschieber den rechtwinkligen Abstand von der ovalen Bohrung zum Werkstückrand messe, erhalte ich u.U. vollkommen andere Ergebnisse als mit der Messmaschine. Warum? Der Messschieber mißt den realen Abstand an einem Punkt. Die Software berechnet den Abstand vom Werkstückrand zum Mittelpunkt des Ersatzelementes und zieht den mittleren Radius ab. Die Software ist nicht in der Lage den realen Abstand zu ermitteln. Simulieren könnte man dies, indem man einen einzelnen Tastpunkt in der Bohrung setzt, an dem Punkt an dem der Abstand am geringsten ist. Nur: dieser Punkt läßt sich nicht bestimmen! Hier sind die Grenzen der heutigen Software erreicht. Dies gilt auch für alle Schnittpunktsermittlungen: Die Software ermittelt Schnittpunkte der Ersatzelemente. Die realen Formabweichungen werden nicht berücksichtigt.
Noch größere Probleme haben wir beim Bestimmen des Abstands zweier paralleler Ebenen (oder Geraden). Am CAD ist das kein Problem (A). Aber dort sind die Ebenen auch tatsächlich parallel. Nur unser Werkstück hat mehr oder weniger große Parallelitätsabweichungen und diese beeinflussen auch die Abstandsmessung.
Wenn ich den Abstand jetzt mit einem Messschieber messe, dann bekomme ich vielleicht noch eine sichere Aussage. Aber ist sie auch richtig? Bei der Kontrolle mit dem Mikrometer stelle ich an den verschiedenen Messstellen verschiedene Maße fest. Welches Ergebnis ist jetzt richtig? Und was mache ich auf der Messmaschine?
Man kann vom Flächenschwerpunkt der einen Fläche ein Lot auf die andere fällen und hier den Abstand bestimmen (B). Man kann die Schnittpunkte der Z-Achse durch beide Ebenen ermitteln und diesen Abstand ausgeben (C). Man könnte eine Schnittgerade (z.B. Körperkante) erzeugen/messen und deren Schnittpunkte mit den Ebenen ausgeben (D). Alle drei Ergebnisse werden unterschiedlich sein, ohne das man sagen kann eines von ihnen wäre falsch.
Was folgt daraus: eine Abstandsmessung ist nur dann etwas wert, wenn man deren Position genau festlegen kann (z.B. durch einen Bohrungsmittelpunkt) oder zugleich die Parallelität betrachtet.
Ausschließlich mit messenden Tastsystemen sind Messungen möglich, bei denen automatisch ein Extremwert (tiefster Punkt) gefunden werden soll. Anwendung findet dies bei der Positionsbestimmung einer Zahnlücke (Mdk-Maß), der Bestimmung einer Nut-Mitte oder dem tiefsten Punkt einer Prägung. Diese Koordinaten werden dann an die Messsoftware übermittelt.
In den letzten Jahren wurde eine neue Art der Messmaschinen-Software entwickelt. Diese Software (z.B. HOLOS von ZEISS oder SURF von Metromec / WENZEL) wurde ursprünglich zum Vermessen von Freiformflächen entwickelt und ist in der Lage das Werkstück mit dem CAD-Datensatz zu vergleichen. Dazu wird das Werkstück entweder herkömmlich über Regelgeometrie (Bohrungen, Geraden) ausgerichtet oder es wird ein Bestfit durchgeführt. Beim Bestfit positioniert die Software das Werkstück rechnerisch so im Raum, das alle gemessenen Punkte bestmöglich mit dem CAD-Modell übereinstimmen. Bei der anschließenden Auswertung werden die Abweichungen der Tastpunkte zum CAD-Modell in X,Y,Z ausgegeben. Zusätzlich ist eine grafische Ausgabe möglich, bei der die Abweichungen am 3D-Modell angezeigt werden. Grundlage dafür ist das Vorliegen eines vollständigen 3D-CAD-Modells. Ein großer Mangel ist zur Zeit noch das Fehlen von Toleranzen im 3D-Modell, die automatisch ausgewertet werden könnten.
Sollten weitere Fragen zum Themengebiet der Koordinatenmesstechnik offen sein oder einfach Diskussionsbedarf bestehen, bin ich per
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Stand: 17.05.2000
© 2000 Michael Neuhaus
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